der Morgenstern

Morgenstern
Am frühen Morgen,
sah ich einen winzig kleinen grauen Stern,
hängend am dämmernden Himmel.
Er sah müde aus
vom Kampf mit der dunklen Nacht.
Wie ein alter sterbender Man,
schöpfend seine letzten Atemzügen
wohl wissend daß er fallen muss.
Dennoch jauchzend
zu sterben in der Sonne.
Wang Ya Ping, März 1942

Tonia Pateraki und Jeannette Paterakis,Kreta
Kunstgallerie,Basilika vom Heiligen Markus ,Iraklio,Kreta
Kunstgallerie,Basilika vom Heiligen Markus,Iraklio,Kreta
Kunstgallerie,Basilika vom Heiligen Markus,Iraklio,Kreta
Kunstgallerie,Basilika vom Heiligen Markus,Iraklio,Kreta
Die Kirche des Heiligen Titus,Kreta
Die Kirche des Heiligen Myron,Iraklio,Kreta
Die Kirche des Heilgen Myron,Iraklio,Kreta

Iraklio,Crete ,Morosini-Brunnen ,Löwenplatz ,Kreta

Nächte am Comersee

Von diesen Nächten, den sternelichtklaren
– Herz mit deinem ruhlosen Schritt! –
Was nimmst du von diesen wunderbaren
 Nächten auf deine Wege mit?

Was du empfandest, wenn rings in der Schale
 Des Teiches das Silber überschwoll
 Und tief bis in die ruhenden Tale
 Ein Strom von zitternden Sternen quoll?

Kann das verschatten, wie über dem Hügel
 Weiße Blende in Nacht verging,
 Wenn sich bläulich der eilende Flügel
 Einer Wolke dem Mond umhing?

Kann das verwehn, wie die schweigsamen stillen
 Blumen, die ihr heißes Gebet
 Über die kunstvollen Türen der Villen
 An dein atmendes Herz geweht?

Kann das verzittern, wie – leiser und blasser,
 Eine sinkende Perlenschnur –
Der Mondglanz über das Wiegen der Wasser
 Hinrann ins Dunkel und ohne Spur?

Bleibt dir denn nichts vom Raunen der schwanken
 Zypressen hart an dem Ufergang
 Und dort von all den Träumergedanken,
 Eine Runde lang, eine Stunde lang?

Vielleicht nur ein Vers vom Wiegen des Windes
 Und blinde Sehnsucht zurück in die Zeit,
 Wie Duft gelöst in ein wehendes lindes
 Gefühl unsagbarer Zärtlichkeit.

Stefan Zweig
(geboren: 28. November 1881, Wien, Österreich -verstorben: 23. Februar 1942, Petrópolis, Rio de Janeiro, Brasilien)

Graz,Österreich
Graz,Österreich
Graz,Österreich
Graz,Österreich
Graz,Österreich
Graz,Österreich
Graz,Österreich

Ein ewiges Gedicht

Was ist die Welt? Ein ewiges Gedicht,
Daraus der Geist der Gottheit strahlt und glüht,
Daraus der Wein der Weisheit schäumt und sprüht,
Daraus der Laut der Liebe zu uns spricht

Und jedes Menschen wechselndes Gemüt,
Ein Strahl ist’s, der aus dieser Sonne bricht,
Ein Vers, der sich an tausend and’re flicht,
Der unbemerkt verhallt, verlischt, verblüht.

Und doch auch eine Welt für sich allein,
Voll süß-geheimer, nie vernomm’ner Töne,
Begabt mit eig’ner, unentweihter Schöne,

Und keines Andern Nachhall, Widerschein.
Und wenn Du gar zu lesen d’rin verstündest,
Ein Buch, das Du im Leben nicht ergründest.

Hugo von Hofmannsthal * 1. Februar 1874 in Wien; † 15. Juli 1929 in Rodaun bei Wien

Wien,Österreich
Wien,Österreich
Wien,Österreich
Wien,Österreich
Wien,Österreich
Wien,Österreich
Wien,Österreich
Wien,Österreich
Wien,Österreich

Hört auf die Zeit

Mein Reich ist klein und unabschreitbar weit.
Ich bin die Zeit.
Ich bin die Zeit, die schleicht und eilt,
die Wunden schlägt und Wunden heilt.
Hab weder Herz noch Augenlicht.
Ich kenn die Gut’ und Bösen nicht.
Ich trenn die Gut’ und Bösen nicht.
Ich hasse keinen, keiner tut mir leid.
Ich bin die Zeit.

Da ist nur eins, – das sei euch anvertraut:
Ihr seid zu laut!
Ich höre die Sekunden nicht,
Ich hör’ den Schritt der Stunden nicht.
Ich hör’ euch beten, fluchen schrei’n,
Ich höre Schüsse zwischendrein;
Ich hör’ nur Euch, nur Euch allein …
Gebt acht, ihr Menschen, was ich sagen will:
Seid endlich still!

Ihr seid ein Stäubchen am Gewand der Zeit, –
Lasst euren Streit!
Klein wie ein Punkt ist der Planet,
Der sich samt euch im Weltall dreht.
Mikroben pflegen nicht zu schrei’n.
Und wollt ihr schon nicht weise sein,
Könnt ihr zumindest leise sein.
Schweigt vor dem Ticken der Unendlichkeit!
Hört auf die Zeit!

Erich Kästner (geboren 23. Februar 1899, Dresden, Deutschland -gestorben 29. Juli 1974, München, Deutschland )

Belvedere Museum ,Wien,Österreich
Belvedere Museum ,Wien,Österreich
Belvedere Museum ,Wien,Österreich
Belvedere Museum ,Wien,Österreich
Belvedere Museum ,Wien,Österreich
Belvedere Museum ,Wien,Österreich
Belvedere Museum ,Wien,Österreich
Belvedere Museum ,Wien,Österreich

Auch ist das vielleicht nicht eigentlich Liebe

Auch ist das vielleicht nicht eigentlich Liebe,

wenn ich sage, dass du mir das Liebste bist;

Liebe ist, dass du mir das Messer bist,

mit dem ich in mir wühle.

Franz Kafka* 03.07.1883, † 03.06.1924

Geboren in Prag, gestorben in Kierling bei Klosterneuburg, Österreich.

Wien,Österreich
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Wien,Österreich
Wien,Österreich
Wien,Österreich
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Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne

Stufen

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf´ um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen;
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden,
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

* 2. Juli 1877, Calw, Deutschland ,† 9. August 1962, Montagnola, Collina d’Oro, Schweiz

Grado,Italien
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Hörst du fern die Winde schrillen

Unterm weißen Baume sitzend…

Unterm weißen Baume sitzend,
Hörst du fern die Winde schrillen,
Siehst, wie oben stumme Wolken
Sich in Nebeldecken hüllen;

Siehst, wie unten ausgestorben
Wald und Flur, wie kahl geschoren; –
Um dich Winter, in dir Winter,
Und dein Herz ist eingefroren.

Plötzlich fallen auf dich nieder
Weiße Flocken, und verdrossen
Meinst du schon, mit Schneegestöber
Hab der Baum dich übergossen.

Doch es ist kein Schneegestöber,
Merkst es bald mit freudgem Schrecken;
Duftge Frühlingsblüten sind es,
Die dich necken und bedecken.

Welch ein schauersüßer Zauber!
Winter wandelt sich in Maie,
Schnee verwandelt sich in Blüten,
Und dein Herz es liebt aufs Neue.

 Heinrich Heine (* 13. Dezember 1797 als Harry Heine in Düsseldorf, Herzogtum Berg; † 17. Februar 1856 in Paris) 

Grado,Italien
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Und ungeahnt erblüht es dir

Nicht Glückes bar sind deine Lenze

Nicht Glückes bar sind deine Lenze,

Du forderst nur des Glücks zu viel;

Gib deinem Wunsche Maß und Grenze,

Und dir entgegen kommt das Ziel.

Wie dumpfes Unkraut laß vermodern,

Was in dir noch des Glaubens ist:

Du hättest doppelt einzufodern

Des Lebens Glück, weil du es bist.

Das Glück, kein Reiter wird′s erjagen,

Es ist nicht dort, es ist nicht hier;

Lern′ überwinden, lern′ entsagen,

Und ungeahnt erblüht es dir.

Theodor Fontane

(* 30.12.1819, † 20.09.1898)

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Prosit Neujahr

  Ein bisschen mehr Friede und weniger Streit,
  Ein bisschen mehr Güte und weniger Neid,
  Ein bisschen mehr Liebe und weniger Hass,
  Ein bisschen mehr Wahrheit – das wäre doch was!

  Statt so viel Unrast ein bisschen mehr Ruh′,
  Statt immer nur Ich ein bisschen mehr Du,
  Statt Angst und Hemm

  ein bisschen mehr Mut
  Und Kraft zum Handeln – das wäre gut!

  Kein Trübsal und Dunkel, ein bisschen mehr Licht,
  Kein quälend Verlangen, ein bisschen Verzicht,
  Und viel mehr Blumen, solange es geht,
  Nicht erst auf Gräbern – da blüh′n sie zu spät!

Peter Rosegger
(* 31.07.1843, † 26.06.1918)

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